Projekte • 02. August 2024

Kick-off für die Entwicklung eines bundesweiten Software-Tools für mehr Klimaschutz in der Baubranche

Geoinformationssysteme (GIS) bieten erhebliche Vorteile für das Ressourcenmanagement. GIS unterstützt die Planung, Überwachung und Optimierung der verschiedenen Prozesse, was letztendlich zu einer Minimierung der Umweltauswirkungen führt.

Dies zeigt sich unter anderem im Kontext unserer Entwicklung eines speziellen Software-Tools im Bausektor, das wir für den Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg (iste) entwickelt haben und setzt sich nun in einem neuen Auftrag für das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) mit dem Umweltbundesamt (UBA) fort.

 

Wir freuen uns sehr über diese Beauftragung und bauen in diesem Projekt auf unsere Erfahrungen auf, die wir beim Aufbau eines Qualitätssicherungssystems für Recycling-Baustoffe für Baden-Württemberg gesammelt haben. Damals ging es um die Entwicklung eines Tools auf Open-Source-Basis zur Umsetzung der Ersatzbaustoffverordnung auf Landesebene. Im Projekt mit dem UBA geht es nun um die Entwicklung eines bundesweiten Software-Tools zur Erfassung und Verwaltung von Ersatzbaustoffen, ein Bestandteil der Ersatzbaustoffverordnung des Bundes (EBV), die 2023 in Kraft getreten ist,“ so Olaf Knopp, neben Peter Stamm Geschäftsführer der WhereGroup und langjähriger GIS-Experte.

 

Abfallaufkommen und Klimarelevanz des Bausektors

Der Bausektor ist eine der ressourcenintensivsten Industrien weltweit. Mit der kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum wächst auch das Abfallaufkommen in diesem Sektor erheblich. Das Problem ist sowohl global als auch in Deutschland von großer Relevanz, insbesondere im Hinblick auf die Klimarelevanz und den CO2-Ausstoß u.a. bei Herstellung und Transport von Baumaterialien.

Sören Steger, Senior Researcher im Forschungsbereich Zirkuläre Systeme am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, beziffert den Anteil aller weltweiten Abfälle durch Bau- und Abbruchabfälle auf 60 Prozent. Auch die Zahlen für Deutschland sprechen eine deutliche Sprache: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fielen im Jahr 2020 rund 228,1 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle an. Dies macht fast 60% des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland aus. Die größte Menge stammt von Aushubmaterialien, gefolgt von Straßenaufbruch und Bau- und Abbruchabfällen.

 

Umgang mit Abfallaufkommen und CO2-Reduktion - Kreislaufwirtschaft

Der Umgang mit diesen Abfällen und die Reduktion des CO2-Ausstoßes stellen eine erhebliche Herausforderung dar. Deutschland hat zwar eine vergleichsweise hohe Recyclingquote im Bausektor, dennoch gibt es weiterhin erhebliche Mengen, die deponiert werden. Die Implementierung einer Kreislaufwirtschaft ist neben der Entwicklung besserer Sortier- und Recyclingtechnologien ein wichtiger Hebel, um die Abfallmengen der Baubranche langfristig zu reduzieren und damit den Ausstoß von CO2 im Herstellungsprozess zu reduzieren.

Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) zielt darauf ab, den Lebenszyklus von Produkten durch Wiederverwendung, Reparatur, Aufbereitung und Recycling zu verlängern. Im Gegensatz zur linearen Wirtschaft, die auf dem "Take-Make-Dispose"-Modell basiert, strebt die Kreislaufwirtschaft danach, Materialien und Produkte so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten. Dies reduziert nicht nur den Bedarf an neuen Rohstoffen, sondern minimiert auch Abfall und Umweltverschmutzung.

 

Projektreferenz qeb.app – Software-Tool auf Open-Source-Basis zur Umsetzung der Ersatzbaustoffverordnung auf Landesebene

Bereits 2016 entwickelte die WhereGroup im Auftrag des Qualitätssicherungssystem Recycling-Baustoffe Baden-Württemberg e.V. (QRB) und des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg ein webbasiertes Tool zur operativen Umsetzung eines Kreislauf- und eines Qualitätssicherungssystems für Recycling-Baustoffe – die qeb.app.

Neben der Umsetzung des Projekts wurden im Vorfeld eine Machbarkeitsstudie sowie die Grob- und Feinkonzeption entwickelt. Basis der Feinkonzeption waren Fachgespräche mit sämtlichen Stakeholdern, insbesondere mit Vertretern der Rohstoffindustrie und Recyclingunternehmen, mit Überwachungsstellen und Laboren sowie mit den beteiligten Fachbehörden. Das Feinkonzept mit Use-Case-Analysen war Grundlage der Programmierung.

Die Datenaufbereitung (Bundesweite Bodenkarten BÜK200 und Bodenkarte Baden-Württemberg 1:50.000) erfolgte über eine Modellierung in Python und QGIS. Die entsprechenden Prozesse wurden in Abstimmung mit dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg und der Bundesanstalt für Geowissenschaften beschrieben und umgesetzt.

 

Stefan Giese, IT-technischer Projektleiter bei der WhereGroup erklärt: „Mit der qeb.app steht den Mitgliedern des QRB e.V. ein webbasiertes Tool mit den zwei Modulen Güterüberwachung und Einbaukarte zur Verfügung. Programmiert wurde eine benutzerfreundliche Web-Oberfläche. Das Einbaumodul dient der Beurteilung der Einbauweisen von mineralischen Ersatzbaustoffen unter Berücksichtigung der pedologischen (Bodenart) Gegebenheiten und des Grundwasserabstandes eines Einbauortes und der Einbauweisen nach den Einbautabellen der Ersatzbaustoffverordnung. Als Grundlage des Moduls Einbaukarten dienen die aus den Bodenkarten abgeleiteten Kenngrößen "grundwasserfreie Sickerstrecke" und "Bodenart" im Sinne der EBV. Weitere Eingangsparameter sind die "Lage von Wasserschutzgebieten" und ihre "Zonierung". Diese so genannte Einbaukarte wurde für Baden-Württemberg u.a. auf Grundlage der Bodenkarte Baden-Württemberg 1:50.000 (BK50) mit hoher Auflösung (bis 1:10.000) entwickelt. Die qeb.app erlaubt damit die Verwaltung der Mitgliederwerke des QRB e.V. und eine Festlegung spezifischer Rollen für Fremdüberwacher und Unternehmen.“

 

Projekt UBA – Entwicklung eines bundesweiten Software-Tools zur Erfassung und Verwaltung der Verwendung von Ersatzbaustoffen

Kick-off dieses auf 2 Jahre angelegten Projektes war am 14. Mai 2024. Im Fokus steht die Entwicklung eines bundesweiten Ersatzbaustoff-Katasters für mineralische Ersatzbaustoffe. Neben der WhereGroup GmbH gehört die TÜV Nord EnSys GmbH & Co. KG, als Kompetenzträger in allen Fragestellungen zur schadlosen Verwertung und Deponierung von mineralischen Abfällen, zum Projektteam.

Zielsetzung des Projektes ist die Entwicklung einer konzeptionellen Basis für die Bereitstellung eines Ersatzbaustoff-Katasters. Dies umfasst neben der Konzeption und Bearbeitung grundlegender Fragestellungen auch die Programmierung eines Prototyps, der den Bundesländern zur Verfügung gestellt werden soll.

Damit sollen die in Deutschland existierenden Stoffströme von recyceltem Baumaterial und nach EBV klassifizierten Bodenmaterialien und Baggergut so verändert werden, dass zukünftig mineralische Primärrohstoffe geschont und recyceltes Material vermehrt zum Einsatz kommen kann und keine schädlichen Auswirkungen für Mensch und Umwelt entstehen.

Dabei definiert die EBV konkrete Vorgaben für den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen (MEB) und Bodenmaterial. Je nach Klassifizierung der MEBs und Bodenmaterialien bzw. des Baggerguts sowie dem gewählten Einbauort ergibt sich die Notwendigkeit, den Einbau von MEBs im Vorfeld anzuzeigen und nach erfolgtem Einbau entsprechend zu dokumentieren. Damit wird die Voraussetzung geschaffen, im Falle eines Rückbaus des technischen Bauwerks eine schadlose und ordnungsgemäße Verwertung oder Entsorgung der Materialien ermöglicht werden.

Ein wichtiges Ziel des Projektes ist, ein System zu entwickeln, dass die Meldepflicht von mineralischen Ersatzbaustoffen, unter Einhaltung der Vorgaben, nutzerfreundlich abbildet. Das zu erstellende System soll als Leistung im Rahmen des Online-Zugangs-Gesetzes (OZG) für die elektronische Abwicklung von Verwaltungsverfahren fungieren.

 

Wir befinden uns aktuell in der Konzeptionsphase. Recherchen, Analysen und Gutachten werden in eine umfassende technische Beschreibung münden. Grob gesprochen soll das Kataster aus einer Datenbank bestehen, die mit Daten gefüllt wird, die der/die Anzeigende möglichst einfach über ein einheitliches Anzeigeportal über eine Tastatur eingeben kann. Der Betrieb der Anwendung soll keine Installation auf dem Rechner des Arbeitsplatzes voraussetzen und als web-basierte Lösung in den gängigen Browsern – auch auf mobilen Endgeräten – funktionieren. Ferner soll es Abruf- und Downloadmöglichkeiten von Informationen (auch in Kartenmaterial) geben. Ein weiterer Bestandteil des Software-Tools wird ein umfassendes Rollenkonzept sein, in dem Schreib-, Lese-, Änderungs- und Überschreibungsrechte im Kataster abgeleitet werden können", beschreibt Milena Huhnen-Venedey die Anforderungen dieses Projektes.

 

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Olaf Knopp

Olaf Knopp ist Diplom-Geograph und seit mehr als 20 Jahren als GIS-Spezialist tätig. Früh entdeckte er die Möglichkeiten und das Potential freier Software, 2002 machte er sich mit seiner ersten GIS-Firma selbstständig. Neben seiner Tätigkeit als technischer Geschäftsführer der WhereGroup ist er im Vorstand des QGIS-DE e.V. sowie im Geo-Mentoring der Stadt Bonn engagiert.

Stefan Giese

Stefan Giese ist Diplom-Geologe und seit 2016 als GIS-Consultant und QGIS-Trainer bei der WhereGroup tätig. Er lebt und arbeitet in Freiburg im Breisgau und beschäftigt sich neben seiner Arbeit bei der WhereGroup mit der geophysikalischen Erkundung von archäologischen Bodendenkmälern.

Milena Huhnen-Venedey

Milena Huhnen-Venedey ist Diplom-Physikerin und seit vielen Jahren im Bereich Projektmanagement tätig. Nach der Leitung eines spannenden Projekts im Bereich ländlicher Elektrifizierung im Senegal und einem mehrjährigen Zwischenstopp bei einem renommierten deutschen Maschinenbauunternehmen hat sie ein IT-Projekt im Bereich Logistik beim THW geleitet. Seit Anfang 2024 ist sie Teil des WhereGroup-Teams.

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