Die Welt der Geoinformationssysteme (GIS) erlebt derzeit eine revolutionäre Transformation. Während zweidimensionale Karten lange Zeit den Standard darstellten, erobern dreidimensionale Technologien zunehmend die digitale Landschaft. Moderne Webbrowser werden immer leistungsfähiger und ermöglichen es, komplexe 3D-Visualisierungen direkt im Browser darzustellen – ohne zusätzliche Plugins oder spezielle Software. Diese Entwicklung ebnet den Weg für eine neue Ära der Kartierung, in der digitale Zwillinge ganzer Städte und Regionen sowie hoch detaillierte 3D-Visualisierungen von Gebäuden und Landschaften nicht mehr nur Vision, sondern greifbare Realität sind.
MapComponents, unsere React-basierte Open-Source-Implementierung von MapLibre, passt hervorragend zu dieser Entwicklung, da MapLibre eine nahtlose Integration mit Deck.GL bietet. Deck.GL ist eine WebGL-basierte Visualisierungsbibliothek, die speziell für die performante Darstellung großer Datenmengen im Browser optimiert wurde und sich damit ideal für anspruchsvolle 3D-Anwendungen eignet. In den letzten Monaten haben wir wichtige Fortschritte in der 3D-Technologie gemacht und zeigen mit unseren neuesten Demos, wie Point Clouds und 3D Tiles nahtlos in moderne Webanwendungen integriert werden können.
Punktwolken (Pont Clouds) revolutionieren die Art, wie wir die reale Welt digital erfassen und analysieren. Diese mittels Laserscanning erfassten Daten ermöglichen eine schnelle und detaillierte Erfassung von Objekten, Gebäuden und ganzer Regionen. War früher die Visualisierung ausschließlich in Desktop-Anwendungen mit teurer Hardware möglich, erlauben Technologien wie WebGL eine effiziente Verarbeitung im Webbrowser. Wenn Sie sich für die Nutzung von Punktwolken im DesktopGIS interessieren, lesen Sie gerne dazu unseren Blog-Beitrag Visualisierung und Manipulation von LiDAR-Daten.
Für kleinere Datensätze können Punktwolken direkt in die Kartenanwendung integriert werden. Dies demonstrieren wir in unserer Point Cloud Demo, die als Proof of Concept entwickelt wurde. Besonders bemerkenswert ist, dass die zugrundeliegende Punktwolke mit einem handelsüblichen iPhone in wenigen Minuten aufgenommen wurde. Die Demo zeigt eindrucksvoll, wie sich Visualisierungsparameter wie z.B. Farbgebung und Punktgröße in Echtzeit anpassen lassen.
Praktische Anwendungsbeispiele für Point Clouds sind vielfältig: die Aufnahme von Bauwerken für Renovierungsprojekte, die Dokumentation historischer Gebäude für Denkmalschutz oder das Monitoring von Waldbeständen zur Überwachung von Baumwachstum und Abholzung. In der Infrastruktur-Überwachung ermöglichen Punktwolken das Erkennen von Veränderungen an Brücken, Straßen oder anderen kritischen Bauwerken über die Zeit hinweg.
Das Arbeiten mit Punktwolken wird durch das große Datenvolumen erschwert, was schnell mehrere Gigabyte erreichen kann. Hier kommt das 3D Tiles-Format ins Spiel. 3D Tiles ist ein offener Standard für die Übertragung und Visualisierung großer 3D-Geodaten im Web. Das Format optimiert die Datenübertragung durch hierarchische Strukturierung und ermöglicht es, unter anderem Punktwolken effizient zu streamen und darzustellen.
3D Tiles ist ein offener Standard, der speziell für die effiziente Übertragung und Visualisierung von 3D-Geodaten im Web entwickelt wurde. Er wurde von dem Unternehmen Cesium entwickelt und ist heute ein OGC (Open Geospatial Consortium) Community Standard, was seine breite Akzeptanz und Zukunftssicherheit unterstreicht.
Das Besondere an 3D Tiles liegt in der hierarchischen Datenorganisation: Große 3D-Datensätze werden in kleine, zur Laufzeit verarbeitbare Kacheln (Tiles) unterteilt, die je nach Zoomstufe unterschiedlich fein aufgelöste Daten enthalten. Die Kacheln entsprechen 3D-Dimensionale Boxen und werden je nach Bedarf geladen.
3D-Objekte und Gebäudemodelle
3D Tiles beschränkt sich nicht nur auf Point Clouds, sondern unterstützt auch gängige Formate für die Gebäude- und Objektmodellierung. Besonders relevant sind hier CityGML für standardisierte Gebäudedaten sowie GLB/glTF-Formate für detaillierte 3D-Objekte wie Stadtmöbel, Baumkataster oder spezielle Bauwerke.
Ein praktisches Beispiel hierfür sind die LOD2-Gebäudemodelle für ganz Deutschland, die als CityGML-Daten verfügbar sind. Diese Level-of-Detail-2-Modelle mit vereinfachten haben wir in das 3D Tiles-Format überführt und erfolgreich in eine MapComponents-Anwendung integriert.
3D Tiles ermöglichen die Umwandlung nahezu aller gängigen 3D-Datenformate – beispielsweise .obj, .fbx, .dae oder .glb – in ein effizient webfähiges Format. Dabei können die Modelle im Rahmen des Konvertierungsprozesses auch georeferenziert werden, sodass sie korrekt in einen räumlichen Kontext eingebettet werden.
3D-Mesh-Modelle
3D-Meschmodelle erlauben eine noch detailliertere Darstellung von Objekten und werden durch Photogrammetische Methoden auf Basis von überlappenden Fotografien erzeugt. Diese Technik ermöglicht es, reale Objekte und Landschaften mit beeindruckender Detailtreue digital zu erfassen.
Die praktische Anwendung dieser Technologie demonstrieren wir in unserer 3D Tiles Layer Demo, die die frei verfügbaren 3D-Mesh-Daten der Stadt Hamburg nutzt und eine detailgetreue 3D-Darstellung der Hansestadt direkt im Browser ermöglicht. Die Performance dieser Kombination aus MapComponents, MapLibre und Deck.GL überzeugt dabei durch flüssige Navigation und schnelle Ladezeiten selbst bei komplexen 3D-Mesh-Datensätzen.
Digitale Geländemodelle (DGM) bilden häufig das unverzichtbare Fundament für überzeugende 3D-Visualisierungen. Sie stellen nicht nur die natürliche Topographie dar, sondern sind auch entscheidend für realistische Schatten- und Beleuchtungseffekte, die 3D-Szenen erst realistisch erscheinen lassen. MapComponents und MapLibre unterstützen seit langem die Integration von Geländedaten durch sogenannte TerrainLayer, die automatisch realistische Höhenprofile in die Kartenansicht einbetten.
Unser MlTerrainLayer-Demo demonstriert, wie Berglandschaften und Täler mit natürlicher Tiefenwirkung dargestellt werden können. Diese Technologie verwandelt flache Karten in Landschaften, die dem Betrachter ein intuitives Verständnis der Topographie vermitteln.
Besonders leistungsstark wird die Terrain-Visualisierung, wenn DGM mit anderen Datenquellen kombiniert werden. Durch die Extrusion von Gebäudegrundrissen mit deren Höhe lassen sich mit einem TerrainLayer und Vector Tiles schnell und einfach 2.5 D Visualisierungen erzeugen. Basis dafür können die amtlichen Vector Tiles von basemap oder OpenStreetMap-basierte Vector Tiles liefern.
Punktwolken und Meshs erlauben dann die detaillierte Integration von weitere Objekten in einer höheren Auflösung. Diese Kombination von Datenquellen, zusammen mit der erhöhten Auflösung des Geländemodells, die moderne 3D-Browser mit WebGL-Unterstützung ermöglichen, führt zu neuen Möglichkeiten. Dadurch können praktische Anwendungen wie Hochwasser-Simulationen und Überflutungsmodelle sowie Sichtbarkeits- und Solaranalysen direkt in Webanwendungen realisiert werden.
Einer neuer Trend ist die Erstellung von Digitalen Zwillingen unserer Umwelt. Dabei werden aktuelle Sensorinformationen, Simulation, und bestehende Daten gemeinsam betrachtet. Dabei spielen dreidimensionale Geodaten eine wichtige Rolle. Es entstehen digitale Abbilder realer Objekte, Gebäude und ganzer Städte, während die technologischen Möglichkeiten durch kontinuierliche Innovationen stetig erweitert werden. Das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie (BKG) hat bereits einen digitalen Zwilling für ganz Deutschland angekündigt – ein ambitioniertes Projekt, das eine einheitliche Punktwolke für ganz Deutschland bereitstellen möchte.
Mit der steigenden Verfügbarkeit hochwertiger 3D-Daten und der kontinuierlichen Leistungssteigerung moderner Webbrowser stehen wir erst am Anfang einer spannenden Entwicklung. Die größte Herausforderung liegt darin, diese technischen Möglichkeiten kreativ zu nutzen und in praktische Werkzeuge zu überführen, die echten Mehrwert schaffen.
Ob in der Stadtplanung, bei der digitale Zwillinge Planungsprozesse revolutionieren können, im Risiko- und Katastrophenmanagement, bei dem präzise 3D-Modelle lebensrettende Entscheidungen unterstützen, oder in der Umweltforschung, in der detaillierte Ökosystem-Modelle das Monitoring von Biodiversität und Klimawandel-Auswirkungen ermöglichen – die Anwendungsmöglichkeiten sind nahezu grenzenlos.
Bei MapComponents verfolgen wir die Vision, dass die Zukunft von 3D-Daten in der Kartierung nicht nur in optimierter Visualisierung liegt, sondern vor allem in interaktiver Analyse und nutzerfreundlicher Bedienung. Wir setzen unsere Entwicklungsarbeit in diesem aufregenden und zukunftsweisenden Bereich konsequent fort und freuen uns darauf, gemeinsam mit der Community die nächste Generation von 3D-Webanwendungen zu gestalten. Die Verschmelzung von leistungsstarker Browser-Technologie, offenen Standards wie 3D Tiles und benutzerfreundlichen Entwicklungstools wie MapComponents ebnet den Weg für eine neue Ära der digitalen Visualisierung – eine Ära, in der die Grenzen zwischen digitaler und physischer Welt zunehmend verschwimmen.